Bericht des Copiloten Wendelin HUG

 

Teil 1

Flug von San Martin de Los Andes nach El Calafate am Lago Argentino

Bereits seit einer Woche hofft Klaus auf Rekordwetter für einen 2500 km Zielflug. Für den 12. Januar zeigen die Vorhersagen zwei parallele Jetstreams, die für diesen gewaltigen Flug benötigt werden. Frühstart am 10.01.2010 um 6 Uhr in San Martin, Flugplatz Chapelco. Die Strecke hat nur 1.200 km, aber am Abend soll eine Kaltfront in El Calafate ankommen. Es läuft super. Wir fliegen die „Seen-Route“ über Lago Nahuel Huapi, General Winter, Fontana, Buenos Aires, Pueyrredón, Belgrano, San Martin, Viedma und sind am Lago Argentino über dem ewigen Eis des Gletschers Perito Moreno, gerade rechtzeitig, vor der hereindrückenden Kaltfront, am Ziel in El Calafate. Wir landen nach einem kleinen Umweg über die Gletscherzone um 16 Uhr nach 10 Stunden Flugzeit und 1.200 km – geht doch super!

 

Gletschertour mit Quo Vadis

Am 11.10.2010 ist eine Schifffahrt zu den Gletschern des Lago Argentino angesetzt, nachdem wir das „campo de hielo“ schon aus der Luft gesehen haben. Wir staunen nicht schlecht, unser Schiff heißt Quo Vadis und wir sind als Quo Vadis Aero Team exklusiv beim Kapitän auf der Brücke eingeladen. Die Gletscherabbrüche vom Schiff aus zu sehen sind schlichtweg spektakulär und am Abend gibt es als Abschluss noch einen „Cordero“, ein am offenen Feuer gebratenes Lamm. Nach einem ausführlichen Wetterbriefing im Internetcafe geht es um 11 Uhr ins Bett. Die Prognose ist gut, aber es ist morgen sehr viel Feuchtigkeit vorausgesagt. Der Maximalwind soll in 5.000 m 90 Knoten (167 km/h) erreichen!

 

 

Teil 2

Rekordflug 12.01.2010 – 2.257 km in gerader Strecke nach San Juan

Um 2:45 Uhr klingelt der Wecker und um 3:30 Uhr fahren wir bereits mit dem Taxi zum Flugplatz. Den Flugplan haben wir schon am Sonntag aufgegeben und mit der Flugleitung den Frühstart abgesprochen. Um 5:45 Uhr schiebt Klaus den Gashebel nach vorne. Nach 15 Min. erreichen wir den geplanten Abflugpunkt. Langsam kommt die Sonne zwischen den Wolkenfetzen hervor, aber das Steigen ist unregelmäßig und schwach. Die Rotoren rollen unter uns durch und Klaus kommt einfach nicht ins Laminare.

 

Einstieg in die Welle dauert 2,5 Stunden

Nach dem Wechsel auf die andere Seeseite haben wir um 7:50 Uhr endlich 4.000 m erreicht und Klaus fliegt bei dichter Bewölkung mit wenigen Lücken ab. Jetzt geht’s richtig los – was bei dem Wetter nur mit der genauen Ortskenntnis von Klaus möglich ist. Wir haben 70–90 Knoten Südwest-Wind und erreichen zum Teil Grundgeschwindigkeiten von 350 – 420 km/h. Nach dem scheinbar ewig dauernden Abflugkrimi sind die ersten 1.000 km in nur 4 Stunden abgespult – wow, so kann’s weitergehen. Wir haben die „Seen-Route“ hinter uns und sind um ca. 12:30 Uhr an unserer Heimatbasis – „nur“ noch 1.300 km vor uns, um die Küttner-Medaille für 2.500 km Segelflug in gerader Strecke zu gewinnen. Aber jede Medaille hat zwei Seiten und jeder Flug zwei Teile.

Über dem Aluminétal liegt geschlossene Staubewölkung. Nach Norden wird die Bewölkung geringer und über den Catanlil Bergen sollen sich die beiden Jetstreams begegnen. Der  Wind hat wie vorhergesagt deutlich nachgelassen und der Anschluss an den nördlichen Jetstream mit eher westlichen Höhenwinden wird vermutlich schwierig sein. Im Lee der Catanlil erwischt es uns. Eine gut aussehende Rotorlinie funktioniert nicht und wir gleiten von einem Wolkenfetzen zum Nächsten. Starke Turbulenz über den Wolken in 4.000 m, extrem schwieriges Steigen. Eben sah es noch ganz gut aus, jetzt steht der Erfolg wieder in den Sternen. Klaus gibt nicht auf. Nach einer halben Stunde gräbt er einen ruppigen verdrehten „Bart“ aus, der bis auf knapp 5.500 m turbulent bleibt, dann ist plötzlich Ruhe. Endlich sind wir wieder laminar. Dafür wird es jetzt blau, und das, wo wir den schwierigsten Teil des Fluges, das Hochrelief der Anden, noch vor uns haben.

 

Hoch-Anden mit Aconcagua

Doch auch im Blauen gibt es kräftige Wellen. Malargüe koordiniert mit den Controllern von Mendoza eine wertvolle Höhenfreigabe. Die Laguna Diamante und die wilden Talzüge um den Tupungato sind aus 7.500 m deutlich angenehmer anzuschauen. Vorbei am Aconcagua mit 6.959 m geht es zügig vorwärts  und wir gleiten in 7.800 m unserem Ziel entgegen. Es ist einfach nur grandios und so langsam kommt Hoffnung auf, dass wir unser Ziel doch noch erreichen.

Das Steigen wird geringer und wir finden uns nach langem Gleitflug in ca. 5.000 m am Ostrand der Hoch-Anden wieder. Die Sicht im Westen zur langsam untergehenden Sonne ist super – aber nach Nordosten in Richtung Zielflugplatz ist alles eine staubige undurchsichtige „Suppe“.  Knapp am Rand des Braun in Braun, haben wir einen neuen Weltrekord über die freie Strecke in der Tasche. Mit viel Glück könnten wir vielleicht auch noch unser Ziel erreichen. Doch Klaus entscheidet sich für die sichere Variante. Wir verzichten auf die noch machbare Strecke auf dem Weg zum Ziel und drehen nach, dem immerhin noch 170 km hinter uns liegenden Flugplatz, San Juan um. Klaus kennt diesen Platz und die dazwischen liegenden Berge, so dass ein Anflug auch bei minimaler Sicht möglich ist. Da an der Obergrenze der braunen Staubwolke die Horizontalsicht grenzwertig wird, ziehen wir die Klappen und vernichten 1.000 m, um so mit ausreichender Erdsicht nach San Juan zu gleiten. Um 21 Uhr setzen wir glücklich in San Juan auf und werden von einigen Mitgliedern des Aero-Clubs herzlich begrüßt.

Klaus ist hier bekannt und alle freuen sich mit uns über den neuen Rekord. Der Abend klingt mit einem Civito (Zicklein) vom Grill und argentinischen Quilmes-Bier aus. Um  2 Uhr fallen wir reichlich müde ins Bett.

 

 

Teil 3

Rückflug von San Juan nach San Martin

Es ist geplant, bei Blauthermik die ca. 900 km in zwei Tagesetappen nach San Martin zurückzufliegen. Nach der Landung erfahren wir jedoch, dass der Luftraum von San Juan bis Malargüe, wegen der Rallye Dakar, am Mittwoch gesperrt ist! Wir wollen nun am Mittwoch den Flieger tanken und danach die Stadt anschauen. Am Abend werden wir von den Segelfliegern eingeladen – es gibt viel zu erzählen. Im Laufe des Tages wird klar, dass auch am Donnerstag ein Start wegen der Dakar ausfällt. Die Bemühungen des Aero-Clubs San Juan nutzen nichts, wir erhalten keine Startgenehmigung.

 

Ersatzprogramm Rally Dakar

Wir machen aus der Not eine Tugend. Mit 15 Fliegerfreunden stehen  wir am nächsten Tag bei 35–40 ° C in einem ausgetrockneten Flussbett an einer Teilstrecke  des renommierten Rennens. Am Abend wird mit einem zünftigen Asado am Flugplatz noch mal unser Rekord gefeiert und wir sind erst nach 2 Uhr im Hotel. Der Start für den Freitag ist um 12 Uhr geplant. Ich werde um 11 Uhr wach und nachdem ich die Uhrzeit realisiert habe, fällt das Frühstück aus. Wir sind mit Hilfe der Fliegerfreunde von San Juan um 13:15 Uhr in der Luft – spät für ca. 900 km, aber es gibt gute Wolkenthermik in den Anden. Am Ostrand der Anden kommen wir, immer knapp an Schneeschauern vorbei, zügig nach Süden voran – vorbei an Mendoza Malargüe und dem Rio Grande Tal. Hier haben wir vor drei Jahren tief im Tal des Rio Grande um den Sprung nach Malargüe über einen hohen, flachen Pass gekämpft. Heute werden wir mit einem satten 7,7 m „Bart“ entschädigt.

 

Heimflug im leichten Hangwind

So langsam wird es blau, aber die Ortskenntnis von Klaus verhilft zu tragenden Linien, so dass wir bis zu den Catanlil-Bergen im Gleitflug kommen. Danach wird aus Zeitgründen kein „Bart“ in der schwächer werdenden Blauthermik mehr angekommen – wenn wir  heute noch nach Hause wollen, dürfen wir nicht mehr kreisen.

Am Ende der Catanlil sind wir auf 1.700 m NN. Der Einsatz des Triebwerks zum Sprung über den Pass ins Alumine-Tal ist kalkuliert. Beim Motorstart dient die Passstraße als Außenlandemöglichkeit – die wenigen Autos sind an Ihrer Staubfahne schon von Weitem zu erkennen. In 2.600 m schaltet Klaus den Motor ab und findet eine leichte Welle, die 200 m Höhe bringt. Mir ist das recht, denn nun beginnt der Hangflug Richtung Junin, bei dem Klaus auch das geringste Steigen kreislos nutzt. Der Wind legt langsam etwas zu und am Südende des Aluminé-Tals, über schon etwas unwirtlichen Schluchten, geraten wir trotz Hangwind in starkes Sinken.

 

Welle zum Endanflug

Da hilft nur die alte Regel „Weg vom Hang gegen den Wind!“ Nach 2 bis 3 km kommt Steigen und wir sind laminar mit 2 m/sek. Diese Welle sitzen wir bis auf Endanflughöhe aus, um dann den Heimflug im Hangflug zu beenden. Wir landen glücklich und zufrieden, nach immerhin 6 Tagen mit unserem neuem Weltrekord in San Martin und Klaus meint mit breitem Grinsen. „Ich habe so viel dazu gelernt, dass bei der nächsten ähnlichen Wetterlage der Küttner-Preis für 2.500 km gerade Strecke garantiert drin ist.“ Im Stillen denke ich für mich, dass auch bei einer  250 km grösseren Strecke kaum grandiosere Bilder und Eindrücke zu erleben sind. Es war einfach Wahnsinn...

 

 

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